[Hefte] [Spider-Man]

Spider-Man - Die gute, alte Zeit oder Spider-Man im Wandel der Zeit

Erinnern wir uns: Als Teenager wird der Schüler Peter Parker während einer Demonstration mit radioaktiven Strahlen von einer kleinen Spinne gebissen. Das besondere an der Sache ist, daß das Tier zuvor der starken Strahlung ausgesetzt war. Durch denn Biß hat das Tier nun ein Teil seiner radioaktiven Strahlung an Peter weitergegeben.
Auf dem Heimweg von der Schule bemerkt Peter plötzlich die Veränderung in seinem Körper. Als er beinahe von einem Auto angefahren wird, reagiert er sekundenschnell und findet sich an einer Hauswand haftend, einige Meter über der Straße wieder. Peter erkennt sehr schnell, daß er durch den Biß gewisse Eigenschaften der Spinne mit abbekommen hat. So zum Beispiel die Fähigkeit an Wänden hochzuklettern, eine Art Spinnensinn, Superkräfte und eine enorme Sprungkraft.
Fortan ist das Leben des Teenagers nicht mehr so normal wie vor dem Unfall. Er näht sich ein rotblaues Kostüm, stellt eine Netzflüssigkeit her und nennt sich ab sofort Spider-Man. Doch das Schicksal ist brutal. Als er nach einem Auftritt in einem Fernsehstudio einen Dieb entwischen läßt, ist es dieser Mann, der Tage später seinen Onkel Ben ermordet. Auf harte Art und Weise muß Peter erfahren, daß mit großen Kräften auch die Verantwortung zunimmt. Er schwört sich, fortan für die Gerechtigkeit einzutreten ...

So hat vor 35 Jahren in Amazing Fantasy 15 alles angefangen. Stan Lee und Steve Ditko begannen damit, Monat für Monat die Abenteuer dieses Teenagers Peter Parker fortzusetzen. Daß besondere an Spider-Man war, daß man es hier nicht mit einem Erwachsenen zu tun hatte, sondern einem Jugendlichen, mit dem sich die Leser auf nie dagewesene Art und Weise identifizieren konnten. Peters Superheldentum war geprägt von Alltagsproblemen in der Schule, mit seinen Mitschülern und dem Leben bei seiner Tante May. Peter konnte nicht wie all die anderen Helden, wie etwa Captain America, Thor, Daredevil und so weiter einfach losrennen und die Welt retten. Er mußte zuerst einen Weg finden, sich aus dem Haus oder aus der Schule zu schleichen und war darauf angewiesen rechtzeitig wieder an Ort und Stelle zu sein. Es konnte vorkommen, daß er gegen den Geier kämpfte, aber zur gleichen Zeit eine wichtige Mathearbeit geschrieben werden mußte oder statt zu büffeln hetzte ihn das Rhino durch Manhattens Strassenschluchten.
Dann waren da noch seine Freundinnen wie etwa Gwen Stacy. Es war an der Tagesordnung, daß genau in dem Moment, als er mit Gwen im Nachtclub war, über ihnen die Hölle losbrach und der Schocker den Nachtclub demolierte. Da mußte Peter irgend eine Ausrede finden um sich abzusetzen. Rettete als Spider-Man das Leben der Leute im Nachtclub, und natürlich das von Gwen und mußte sich nachher Vorwürfe anhören, von wegen Feigling usw. Oder wie oft kam er zu spät zu den Verabredungen, wie oft drohte ihm Gwen mit dem Aus ihrer Freundschaft und wie oft spielte er mit dem Gedanken ihr sein Geheimnis zu verraten.

Diese privaten Probleme Spider-Mans machten den besonderen Flair der Serie aus. Aber leider hat die Serie und damit auch die die Figur dieses Besondere verloren. Man kann den Zeitpunkt fast genau definieren, an dem dies passierte: Es war der Tod von Gwen Stacy der dieser bis dahin einzigartigen Comicserie die Unschuld und somit das Gewisse Etwas nahm. Mit Gwens Tod ging die Ära Lee ein für alle mal zu Ende. Auch wenn Autoren wie Gerry Conway, Len Wein und Marv Wolfman verzweifelt versuchten an diese Zeiten anzuknüpfen, so gelang es ihnen nicht. Mehr und mehr traten Peters private Angelegenheiten in den Hintergrund, Action war Trumpf. Es wurden zwar gute Figuren wie Madame Web oder Black Cat erschaffen, aber ein Revival kam nicht zustande.
Erst Roger Stern gelang es ein Stückweit an die alten Zeiten anzuschließen. Noch waren Peter und Mary Jane kein Liebespaar, noch durfte sie sein Geheimnis nicht kennen, noch mußte er Ausreden bereit haben. Eine kurze Zeit lang war dieses Etwas wieder spürbar. Doch Sterns Arbeit für Spider-Man war zu kurz. Ihm folgte Tom DeFalco, doch zu diesem Zeitpunkt war Secret Wars Thema Nummer 1 und Peter bekam sein schwarzes Kostüm, welches zum zentralen Thema der Serie wurde. Kurz darauf offenbarte Mary Jane, daß sie schon sehr lange Peters Geheimnis kenne und schließlich heirateten die beiden. Damit hatte sich Peters Leben noch einmal stark verändert. Seine Frau kannte sein Geheimnis, sie konnte seine Abwesenheit decken. An diesem Wendepunkt hätte eine weitere Chance bestanden, an die alten Zeiten anzuknüpfen, doch sie wurde kläglich vergeben. David Micheline übernahm das Ruder und lies die Backgroundstory endgültig zur Seifenoper werden. Er stürzte das junge Paar in Ehekrisen, lies Mary Jane zur Kettenraucherin werden und sogar von einem reichen Psychopathen namens Jonathan Ceasar entführen. Dallas pur war angesagt. Waren dies wirklich die Themen die die Leser Anfang der Neunziger interessierten und fesselten. Ich glaube kaum, oder dann bin ich halt doch ein Comicfossil.
Auf Micheline, der immerhin Venom, Carnage und Peters Eltern mit eingebracht hatte, folgte Jean Marc DeMatteis. Obwohl er ein großartiger Autor ist, machte er den wohl größten Fehler der letzten Jahre: Er begann Peter Schritt für Schritt seelisch und psychisch zu zerbrechen. Dies führte soweit, daß er sich mehr als Spinne, denn als Mensch sah. Was für ein Wahnsinn. Doch der Höhepunkt folgte erst noch. Es stellte sich heraus, daß unser Spider-Man in Wirklichkeit ein Klon des richtigen Peter Parkers war ...

Man sieht, die Serie und ihre Hauptfigur haben sich sehr stark verändert, für meinen Geschmack zu sehr. Für einen alten Spider-Man-Fan wie ich, ich lese die Serie schon seit 23 Jahren, hat der gute, alte Netzkopf diesen andauernden Psychoterror nicht verdient und auch nicht nötig. Nur die Liebe zu dieser Figur, weil sie doch ein Bestandteil meiner Jugend war, hält mich noch bei der Stange. Die Klonsaga war für mich die schlimmste Zeit meiner über 20 Jahre mit Peter Parker und Spider-Man. Doch ich hoffe immer noch, daß eines hoffentlich nicht mehr fernen Tages der alte Spider-Man zurückkehrt und wieder sprücheklopfend seine Gegner bekämpft und gleichzeitig auf die Uhr schaut und bemerkt, daß er schon wieder eine halbe Stunde zu spät dran ist. Denn dann ist auch der berühmte Humor des Spider-Man wieder da, den ich schon seit vielen Jahren in der Serie vermisse.

My old Spidey, please come back!!!

Marcel Lanthemann

Spider-Man erscheint bei Marvel Deutschland
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